Off-Gespräche auf dem Berlinale-Empfang der nordmedia am 17. Februar 2023
Off-Gespräche auf dem Berlinale-Empfang der nordmedia am 17. Februar 2023.
Nachdem die Teams von drei brandneuen Filmproduktionen auf der Bühne präsentiert wurden, haben wir den Auftrag: Get together! angenommen und uns mit Regisseurinnen, Darstellenden, Produzentinnen und einem Produzenten sowie weiteren Profis am Set unterhalten, dabei um Stellungnahme zu genau sechs Aussagen gebeten. Das Ziel: Heraushören, worauf es ankommt, wenn der Film gut werden soll – so auf der menschlichen Ebene. Schließlich sind es immer die Menschen hinter und vor der Kamera, die den Stoff erst sehenswert machen.
Franky Five Star
Eine Komödie über die Suche nach sich selbst verbunden mit der Frage: Wer oder wie viele bin ich? Im Kopfhotel der jungen Franky (Lena Urzendowsky) toben gleich fünf Persönlichkeiten. Als Franky sich verliebt, sind sich endlich mal alle einig.
Drehbuch und Regie: Birgit Möller
Elaha
Sex vor der Ehe? In der Gemeinschaft von Elaha (Bayan Layla) bedeutet der Verlust der Jungfräulichkeit gleichsam den, eines „Gütesiegels”. Ein Stück über männliche Fremd- und weibliche Selbstbestimmung – und über eine persönliche Entscheidung.
Drehbuch und Regie: Milena Aboyan
The Ordninaries
Hauptfigur, Nebenfigur, Outtake. Die Filmbranche selbst wird zur Allegorie einer streng unterteilten Klassengesellschaft. Paula (Fine Sendel) strengt sich nach Kräften an, eine Hauptfigur zu werden – bis sie die Suche nach echten Emotionen ganz woanders hinführt.
Drehbuch und Regie: Sophie Linnenbaum
Woher kommt der Erfolg? Worauf kommt es an, beim Filmemachen? Einsichten aus den drei Filmteams!
1 | In der Filmbranche seinen Platz zu finden, ist von vielen Dingen abhängig, besonders aber von einem guten und wohlwollenden Netzwerk.
Ja, ein gutes Netzwerk ist extrem wichtig. Viel wichtiger ist aber noch, dass man innerhalb des Netzwerkes die Leute findet, mit denen man das gleiche Mindset teilt. Also, es reicht nicht, nur zu netzwerken, sondern man muss auch innerhalb der Gruppe oder Community die Menschen finden, mit denen man die gleiche Leidenschaft teilt, das gleiche Verständnis von Film hat.
Ich glaube, sehr viel hängt am Ende von Glück ab – wen du triffst, an welchem Punkt deiner Karriere. Wir hatten das Glück, dass der größte Teil des Teams von „The Ordinaries” zur selben Zeit am selben Ort war, nämlich an der Filmuniversität Babelsberg. Ohne diesen Zufall wäre der Film in der Form nicht entstanden.
Für mich ging es anfänglich nie darum, den richtigen Platz zu finden, vielmehr den Gesamtentstehungsprozess wachsam zu verfolgen. Ich kann allen, die es ins Filmgeschäft zieht, nur raten, viele Projekte geschehen zu lassen. Wichtig ist, Film von den Grundlagen auf mitzuerleben. Das Wissen und die Sicherheit, wohin man eigentlich will, kann nur aus vielen gemachten Erfahrungen heraus entstehen.
Was am Ende trägt, sind die richtigen Leute. Also die Leute, die einen stärken und mit denen man wächst. Meine Mitarbeit bei ELAHA wäre nicht passiert, wenn Milena mich nicht angerufen und gesagt hätte: „Ich möchte dich kennenlernen. Du bist die Producerin mit Migrationsgeschichte und ich mag dein Foto.” Ich sehe das so: Das vorhandene und wachsende Netzwerk ist der Anfang einer Zukunft, die noch groß ist.
2 | Jede/r braucht jemanden, der das persönliche ON, die gute Arbeit, das eigene Strahlen, möglich macht.
Auf jeden Fall ist das so. Wenn wir ELAHA als Beispiel nehmen – da gab es ein tolles Drehbuch und gleich am Anfang ein sehr angenehmes Casting. Das ist wichtig, dass man mit den Menschen, die um einen herum sind, eine Art „safe place“ teilt, einen sicheren Ort, an dem man alles geben kann. Ohne das gesamte Team wäre meine Rolle nicht möglich gewesen.
Für mich lautet der Schlüsselbegriff Vertrauen. Es gibt keinen bestimmten Menschen und keine bestimmte Sache, die mir helfen. Aber in dem Moment, in dem ich präsent sein möchte, muss ich vertrauen können. Vertrauen ist Voraussetzung für Sich-etwas-trauen.
Ich stimme Denise voll zu. Spüre ich, ob das Zusammenspiel mit der Regie, mit den Schauspielkolleginnen und – kollegen, mit der Produktion funktioniert, ist alles gut. Das ist ein wechselseitiges Gefühl. Man vertraut anderen und wünscht sich deren Vertrauen.
Ich frage mich tatsächlich manchmal selbst, wann ich ON und wann ich OFF bin. Ich glaube, die Grenzen sind fließend. Ich lasse mich gern inspirieren, von Begegnungen, Farben, Menschen – und das Ergebnis drückt sich in meiner Arbeit aus. Es gibt keine spezielle Quelle, aus der ich schöpfe. Bei der Arbeit zu „Franky Five Star” kann ich sagen: Da funktioniert tatsächlich viel über Vertrauen – und über Intuition.
Die Community lebt: Talks und Talente!
Nach Pandemiepause konnte das Team der nordmedia zur 73. Berlinale an eine alte Tradition anknüpfen: Ein guter Gastgeber sein! Talks auf der Bühne und am Rande, Feiern neuer und vielversprechender Talente des Filmbusiness. Gespräche und Impulse im ON und im OFF. Das Fazit: Film ist ein wichtiges Kulturgut. Und die nächste Generation der Filmschaffenden beweist, dass dies auch zukünftig so bleiben wird.
3 | Frauen drängen immer mehr ins ON, in die Hauptrollen – vor und hinter der Kamera.
Ich glaube, die Beobachtung, dass immer mehr Frauen in der Filmbranche Fuß fassen, stimmt. Das liegt vielleicht auch daran, dass immer mehr Menschen erkannt haben, dass das Filmgeschäft ohne Frauen schnell eintönig wird.
Schauspielerin Neele Buchholz, Radio Bremen-Intendantin Yvette Gerner, Regisseur Dominik Rüedi, nordmedia Geschäftsführer Thomas Schäffer und andere mehr sprechen am 15. Juni in Bremen zum Thema Diversität in Medienproduktionen. Mehr Infos und Anmeldung
Drängen? Ich hoffe, dem ist heute! nicht mehr so. Sehr viele Leute haben in der Vergangenheit dafür gekämpft, dass sich die Dinge in der Filmbranche verändern – diese Veränderung wird gerade spürbar. Die Frage nach dem Geschlecht dürfte sich nicht mehr stellen, die, nach der Qualität immer.
Na ja. Es hat lange gedauert, bis wir diesen Film finanziert hatten. Und, das muss ich sagen, wenn die nordmedia nicht so sehr auf Diversität achten würde, dann hätte das vielleicht nie geklappt. nordmedia hat uns von Anfang an unterstützt – ich meine, wir profitieren hier nicht von irgendeiner Frauenquote, aber von der Anerkennung der Gender Diversity.
„Um neue Perspektiven für die Zuschauenden im Kino, aber auch in der Fernsehlandschaft zu etablieren, wollen wir mit unseren geförderten Projekten alle gesellschaftlichen Blickwinkel repräsentieren. Es gilt Chancengleichheit, Barrierefreiheit und Diversität in der Medienbranche zu bestärken und den Weg dafür zu ebnen.”
Petra Schleuning
Leiterin Film- und Medienförderung nordmedia
4 | Wer im OFF unterwegs ist (hinter der Kamera agiert) muss permanent ON sein.
Das stimmt. Dabei bin ich hinter der Kamera anders „angeschaltet”. Ich biete eine Art sichere Basis für das Geschehen davor. Eine hohe Sensibilität für die jeweilige Situation ist wichtig. In meinem Job geht es darum, Ansprechbarkeit zu signalisieren, immer.
Natürlich ist ein Dreh für alle am Set eine stressige Situation, aber gleichzeitig setzt die Aufregung ja auch total viel Kraft und Kreativität frei. Das ist das ON und macht wahnsinnig Spaß. Später im Schnitt hat man dann Zeit, um alles zu verarbeiten.
Die Zeit beim Dreh ist sicher die intensivste Zeit – auch wenn sie bei der Gesamtherstellung den kleinsten Anteil hat. Der Weg zum fertigen Film ist von „Vor und Zurück” geprägt. Das ist hochemotional, es gibt Fehlschläge, verworfene Einstellungen, unterschiedliche Interpretationen und dann doch den Zwang, zum Ende zu kommen.
Man muss auch ON sein, um den richtigen Moment für den Schlussstrich zu erwischen. Bei einem komplexen Filmprojekt gerät man leicht in diesen Arbeitsmodus, bei dem man denkt: „Wir könnten auch die nächsten vier Jahre so weiter machen, dieses und jenes Detail noch mal besser lösen.” Will man nicht, also gilt es wirklich loszulassen, ganz bewusst, auch wenn es wehtut.
Frauen und die Suche nach der eigenen Identität
Wer bin ich und wer möchte ich sein? Im Zentrum der vorgestellten Filme stehen junge Frauen. Und diese stehen zwischen den Erwartungen – der anderen und ihrer eigenen an sich selbst. Identitätszuschreibung und Selbstfindung – am Ende nehmen es Paula, Franky und Elaha in ihre eigenen Hände. Jede in ihrem Film und auf ihre Art.
5 | Prägungen (Kindheit, Jugend, Familie, Freunde) kann man niemals OFF schalten, sie sind immer dabei.
Natürlich kann man die eigene Identität niemals ablegen. Wenn ich ein Drehbuch schreibe, kommt zu der Recherche immer auch das eigene Erleben hinzu. Insofern: Ohne Prägungen könnten wir gar nicht die Filme machen, die wir machen und machen wollen.
Es hat ja tatsächlich mal ein Regisseur zu mir gesagt: „Deine Person bleibt in der Garderobe.” Für mich ist das ein Missverständnis. Ich kann und ich möchte das auch gar nicht: meine Persönlichkeit, alles, was mich ausmacht, an der Garderobe lassen und dann vor laufender Kamera jemand anderes sein.
Die Idee, die Birgit mit dem Drehbuch von „Franky Five Star” hatte, ist eine, die uns auch vereint hat. Diese Idee von: „Wir sind mehr als eine Person.” Es gab eine große gemeinsame Lust, bei diesem Film dabei zu sein, weil wir das alle kennen, diese Stimmen der anderen in uns.
Ich glaube, ich habe auch das Gefühl, dass ich manchmal meinen Vater oder meine Mutter in mir höre – je älter ich werde, desto mehr.
Gleichzeitig dürfen wir im Film über das eigene Erleben hinaus gehen. Bei „The Ordinaries” geht es um Diskriminierung und Ausgrenzung – ich möchte meinen, wir, die wir hier sitzen, sind davon nicht oder weniger direkt betroffen. Sich mit diesem Thema aber gemeinsam auseinanderzusetzen, viele Perspektiven zusammenzubringen und als Gruppe und als Team eine gemeinsame Aussage im Medium Film treffen zu können, das war wichtig.
6 | Im Laufe der Filmarbeit gibt es immer, auch krasse, OFF und ON Momente.
ON: Als ich Denise und die anderen tanzen gesehen habe – ich saß da wie ein Pinguin und habe vor mich hingeklatscht, weil ich mich so gefreut habe. Oder wenn man ans Set kommt und merkt: Krass, jetzt ist das, was erst nur in den Köpfen war, plötzlich direkt vor uns!
OFF: Mein erster Drehtag. Ein riesiges Filmset wartet nachts auf mich. Meine Regieanweisung lautet: „Springe in das Hafenbecken!” Ich bin Nichtschwimmer. Es gab bei diesem ersten Dreh, sagen wir, sehr viele OFF-Momente – bis ich dann wirklich gesprungen bin. Später hieß es: Meine Angst wäre perfekt gewesen für die Szene.
ON: Ich habe ein Jahr auf die Rolle von ELAHA gewartet. Ich war in Frankfurt vorsprechen, dann in Berlin, dann nochmal in Berlin. Und dann kam der Anruf von Emina mit der Zusage für die Hauptrolle. Das war definitiv ein ON-Moment – man spürt in diesem Moment, dass die Dinge eine gute Kurve nehmen. Ich habe mitten auf dem Alexanderplatz sehr viel geschrien und geweint und gelacht – und alle dachten, die ist komisch.
Die nordmedia ist der wichtigste Partner für die Förderung von audiovisuellen Medien in Niedersachsen und Bremen.
In der Funktion als Vermittler und Förderer sowie als Hub für Medien- und Kulturschaffende, Wirtschaftsakteure und Politik, arbeitet die nordmedia in einem medialen Spektrum zwischen Kultur und Wirtschaft jenseits der Scheinwerfer.
Häufig ist es die Arbeit im Hintergrund, die beeindruckende Resultate maßgeblich beflügeln konnte. Die Initiative On im Off spricht mit den Akteurinnen und Akteuren, vermittelt Einblicke in die Branche und beleuchtet Aspekte des Medienschaffens, die außerhalb der Scheinwerferspots festlicher Premieren liegen, dennoch hell leuchten – man muss nur richtig hinsehen.
Wir schauen hinter die Kulissen der Film- und Medienprojekte, die mit Hilfe von nordmedia oft erst richtig ins Rollen kommen.
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