Kino(be)treibende im Gespräch mit nordmedia.
Eine Kinobetreiberin und ein Kinobetreiber. Zwei Ausrichtungen: Mainstream und Programmkino.
Dabei viel Übereinstimmung zu dem, was Kino gestern, heute und morgen ausmacht: Ein einzigartiges und ungestörtes Filmerlebnis auf der großen Leinwand. Die Aufregung, wenn der Vorhang aufgeht, die Musik einsetzt und das Spiel mit den Figuren, Kulissen, Stimmungen und Handlungen beginnt. Gänsehaut. In Aurich wie in Lüneburg.
Astrid Muckli betreibt zusammen mit ihrer Schwester Kathrin Muckli-Sinningen gleich vier Kinos. Sie stehen in Aurich, Papenburg, Leer und Meppen. In den großzügig bemessenen, modernen Sälen wird vor allem hochwertiges Mainstream-Kino geboten. Der Anspruch: Ein rundes Kinoerlebnis für alle.
Astrid Muckli
Kinobetreiberin
Kevin Beck betreibt zusammen mit David Sprinz das SCALA Programmkino. Das Kino liegt in der Altstadt von Lüneburg. Vier kleinere Säle zeigen Filme, die jenseits von Mainstream Anspruch mit spürbarer Erzähllust verbinden. Der typische Gast ist hier gesetzteren Alters und weiblich.
Kevin Beck
Kinobetreiber
Gerade nach den ersten Pandemiewellen wissen es die Leute zu schätzen, wieder ein Gemeinschaftserlebnis zu haben.
Dazu auch ein bisschen der Welt da draußen zu entfliehen, alles, was einen belastet, vor der Kinotür zu lassen. Wir konnten bei uns beobachten, wie vor allem Eltern mit Kindern unheimlich dankbar waren, wieder ins Kino gehen zu können.
Bundesweit nehmen die Mehrheit der deutschen Kinos am 01. Juli 2021 ihren Spielbetrieb wieder auf.
Der Kinosaal ist der einzige Ort, wo gute Filme ihre Qualität perfekt entfalten können.
Und der Zuschauende ist nicht abgelenkt, das ist wichtig. Er kann sich voll und ganz auf den Film einlassen. Der Gast sitzt in einem dunklen Raum und das Einzige, was die Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist das Geschehen auf der Leinwand.
Das stimmt. Keine Waschmaschine, die zwischendurch geleert wird, kein Anruf auf Handy, der stört. Im Kino zählt erstmal nur der Film und der Gast, der ihn sich anschaut.
Und zum Thema Gemeinschaftserlebnis: Filme können ja auch Debatten anstoßen. Wenn also Menschen zusammenkommen, um sich einen Film gemeinsam anzusehen, können sie danach ins Gespräch kommen, sei es in Kleingruppen, sei es vielleicht sogar in einer moderierten Diskussion.
Ich habe etwas dagegen, mich als Kinobetreiberin zu verkünsteln. In erster Linie ist Kino Kino. Aber es stimmt auch, dass wir sehr viel Wert darauflegen, das Kino zu einem Wohlfühlort zu machen. Der Gast ist König. Das bedeutet, er kann sich sein Kinomenü an den Platz bestellen, das gleich digital mit dem Ticketkauf. Das bedeutet auch, dass wir unsere Kinos immer in einen Top-Zustand halten. Es darf keinen Investitionsstau geben. Niemand geht gern dorthin, wo er mit den Füßen am Teppich kleben bleibt.
Die Haltung finde ich auch wichtig, die Menschen, die ins Kino kommen, wirklich zu hofieren. Wir haben nicht die Möglichkeit Service am Platz anzubieten, dazu ist unser Kino zu klein. Aber es fängt schon mit der freundlichen Ansprache an.
Stadt: Lüneburg
Anzahl der Säle: 4
Sitzplätze: 243
Eröffnung: 2000
Betreiber: Scala Programmkino + Medien GmbH
Geschäftsführung: Kevin Beck und David Sprinz
Was ich darüber hinaus aber als wichtige Aufgabe von Kino sehe, ist dieses Kuratieren, das Zusammenstellen des Kinoprogamms. Gerade weil es da draußen so unfassbar viele Filmangebote auf so unfassbar vielen Plattformen gibt, stellen wir bewusst die Filme zusammen, von denen wir glauben, dass sie bei unserem Publikum gut ankommen.
Wir sind die Experten für den guten Film und das Publikum verlässt sich darauf.
Ich gebe Herrn Beck zu 100 Prozent recht. Die großen Verleiher haben in der Pandemie gelernt, dass der gute Film eigentlich das Zugpferd Kino braucht. Gleichzeitig eignet sich nicht jeder Film für das Kino. Es gibt nichts Schlimmeres: Der Gast erlebt die schönsten Häuser, den besten Service, aber ärgert sich über den schlechten Film, den er gerade gesehen hat.
Für die Gestaltung eines hervorragenden Jahresfilmprogramms wurde das SCALA Programmkino mit dem nordmedia Kinoprogrammpreis 2022 ausgezeichnet.
Die Geschwister Muckli mit ihren vier Spielstätten konnten sich über Preise für die Gestaltung einzelner hervorragender Filmsonderprogramme und Programmreihen freuen.
Eigentlich müssen wir den Spieß umdrehen und sagen: Dieser Film hat unser Kino auch verdient.
Und ja, da stehen wir in einer Verantwortung gegenüber unseren Gästen.
Ja und nein. Die Leute verlieren sich in der Beliebigkeit der Streamingdienste. Netflix, Amazon, Disney+… Was sollen wir denn noch alles abonnieren? Das Kino bietet dagegen verlässlich gute Filme. Im Mainstream-Bereich ist „Top Gun“ dafür das beste Beispiel. Der Film funktioniert nur auf der großen Leinwand. Das haben die Leute auch verstanden.
Der entscheidende Unterschied zum Content von Netflix und Co. ist ja: Da hat sich jemand hingesetzt und ist die Filmstarts durchgegangen, damit Kino der Ort für Klasse statt Masse bleibt. Damit vielleicht auch Filme mit Relevanz gezeigt werden. Filme, die uns berühren.
Ich denk da spontan an unsere Ticketpreise, die wir aktuell anheben müssen, um unsere Betriebskosten zu decken. Dabei wissen wir nicht, welche Teile unseres Publikums sich das noch leisten können und wollen.
Kino darf aus meiner Sicht kein Luxusgut werden, es muss für alle zugänglich bleiben.
Ich fürchte nur, die Entwicklung geht gerade in Richtung Luxus. Also ja, aktuell gibt es da eine Unsicherheit, wie wir uns weiter finanzieren. Gleichzeitig haben wir schon andere Krisen erlebt. Wir müssen wohl einmal durch dieses Nadelöhr.
Ich würde das gern ergänzen.
Wichtig ist die Feststellung, dass Kino ein Kulturort ist. Und wie jeder andere Kulturort auch, verdient Kino Förderung.
Das findet ja auch statt, dank der nordmedia. Aber aus meiner Sicht immer noch zu stiefmütterlich. Kinoprogrammpreise in anderen Flächenbundesländern wie Bayern sind zum Beispiel viel höher dotiert. Also, gerade im Bereich Kino gibt es aus meiner Sicht Luft nach oben.
Die einfache Regel lautet: Werbung für Kino dort machen, wo die Zielgruppen sind. Es reicht halt nicht eine Anzeige in der Tageszeitung zu schalten, man muss da viel breiter aufgestellt sein. Dabei gewinnen die digitalen Kanäle immer mehr an Bedeutung. Und auch da gibt es Bewegung. Wo Facebook als Sprachrohr verliert, wird Instagram aktuell immer wichtiger für uns.
Wir haben mittlerweile zwei Mitarbeiterinnen, die sich nur um unsere Social-Media-Aktivitäten kümmern. Der Lohn: Knapp 43.000 Follower.
Ich mag dieses direkte Feedback, den direkten Dialog mit den Gästen, der auf Social Media passiert.
Allerdings bedeutet das auch viel Arbeit: Immer wieder den Blick hinter die Kulissen gewähren, unseren vier Kinos ein Gesicht geben – einmal die Woche das Programm zu posten, reicht da nicht.
Das perfekte Kinoerlebnis hat auch viel mit Technik zu tun: Bild, Sound, Licht. Es ist wichtig, da auf dem neuesten Stand zu sein, dem Heimkino weit voraus zu sein.
Stadt: Aurich
Anzahl der Säle: 6
Sitzplätze: 1089
Eröffnung: 2017
Betreiber: Ostfriesische Filmtheater GmbH
Geschäftsführung: Astrid Muckli und Kathrin Muckli-Sinningen
Ansonsten:
Kino ist trotz aller Digitalisierung, von der wie ja auch profitieren, immer noch ein analoger Ort.
Ein Ort, wo sich echte Menschen zu einer bestimmten Zeit treffen. Dieses gemeinsame Erlebnis, das wird auch in Zukunft gebraucht, da bin ich sicher.
Das glaube ich auch. Interessanterweise sind, nachdem die Kinosäle wieder geöffnet wurden, zuerst viele jüngere Menschen ins Kino geströmt, die Sehnsucht nach echter Begegnung war hier besonders hoch. Außerdem glaube ich, dass die Eventisierung zunehmen wird.
Neben der eigentlichen Filmvorführung wird es mehr Angebote in Richtung Filmgespräch geben.
Dazu muss eine Regisseurin oder ein Regisseur ja gar nicht mehr anreisen, auch das geht digital. Oder an anderen Orten finden Themenabende, bestimmte Panel-Diskussionen statt und werden ins eigene Kino übertragen. Also, wir werden zukünftig mehr Rahmenprogramm haben.
… ich erst im Kino angefangen habe, Filme tatsächlich zu sehen und wertzuschätzen.
… in dem Moment, wo der Vorhang aufgeht und der Film startet, mir auch das Herz aufgeht. Das ist einfach so.
Das Gespräch führte Katrin Johnsen im Auftrag der nordmedia.
Man stelle sich vor, ein beeindruckender Film würde gedreht, aber es gäbe keinen Ort, wo er dem Publikum in angemessener Form präsentiert werden könnte. Ganz klar: Der gute Film braucht das Kino, so wie das Kino den guten Film braucht.
Dabei ist Kino oft noch mehr als der dunkle Vorführraum mit der großen Leinwand. Er erfüllt die Funktion von Begegnung gepaart mit niederschwelliger Kulturvermittlung für alle. Ein Treffpunkt zum gemeinsamen Abtauchen in eine spannende Geschichte. Ein Raum, in dem der eigene Alltag vergessen oder wieder neu betrachtet werden kann. Menschen brauchen diese Impulse und das Kino als Ort des guten Films, kann sie sehr erfolgreich setzen.
Gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen ist das Kino oft der letzte Kulturträger vor Ort, aber auch ein Wirtschaftsfaktor. Die nordmedia möchte mit verschiedenen Engagements die Kinobetreibenden vor Ort unterstützen.
Mit dem Kinoprogrammpreis wird die Rolle der Kinobetreibenden als Kuratorinnen und Kuratoren gewürdigt. Die nordmedia zeichnet jährlich gewerbliche und nichtgewerbliche Filmtheater und Spielstellen in Niedersachsen und Bremen aus, die mit einem herausragenden Kinoprogramm für eine vielfältige Kino- und Programmkultur sorgen.
Mehr zu den Kinoprogrammpreisen Niedersachsen Bremen
Kein Investitionsstau! Gefördert werden investive Maßnahmen in ortsfesten Programmkinos und Filmkunsttheatern sowie Filmtheatern mit bis zu sechs Sälen pro Betriebsstätte. Die Förderung kann bis zu 50 Prozent der beihilfefähigen Kosten, maximal 100.000 Euro betragen.
Mehr zum Thema Investitionsförderung
Die SchulKinoWochen sind ein bundesweites Angebot von VISION KINO in Kooperation mit Partnern aus den sechzehn Bundesländern. Für die Dauer einer bzw. mehrerer Wochen können Schulklassen zu einem ermäßigten Eintrittspreis Vorstellungen ihrer Wahl in den beteiligten Kinos ansehen. Partnerin für Niedersachsen und Bremen ist u. a. die nordmedia.
Fazit der 18. SchulKinoWochen in Niedersachsen und Bremen, die Anfang Juli 2022 zuende gingen: Mehr als 60.000 Schüler:innen und Lehrkräfte in 75 niedersächsischen Städten und Gemeinden sowie über 10.000 Besucher:innen in Bremen.
Die nordmedia ist der wichtigste Partner für die Förderung von audiovisuellen Medien in Niedersachsen und Bremen.
In der Funktion als Vermittler und Förderer sowie als Hub für Medien- und Kulturschaffende, Wirtschaftsakteure und Politik, arbeitet die nordmedia in einem medialen Spektrum zwischen Kultur und Wirtschaft jenseits der Scheinwerfer.
Häufig ist es die Arbeit im Hintergrund, die beeindruckende Resultate maßgeblich beflügeln konnte. Die Initiative On im Off spricht mit den Akteurinnen und Akteuren, vermittelt Einblicke in die Branche und beleuchtet Aspekte des Medienschaffens, die außerhalb der Scheinwerferspots festlicher Premieren liegen, dennoch hell leuchten – man muss nur richtig hinsehen.
Wir schauen hinter die Kulissen der Film- und Medienprojekte, die mit Hilfe von nordmedia oft erst richtig ins Rollen kommen.
Gefördert, vernetzt, entwickelt: Finde hier mehr ON im OFF!